Vom Materialfetisch und „richtiger Photographie“

Irgendwann, dachte ich mir vor einiger Zeit, mach ich mich mal richtig unbeliebt und schreib was über Materialfetischismus in der Fotografie. Denn einerseits gibt es das beliebte GAS, das Gear Acqusition Syndrome, gegen das keiner so recht immun ist (ich auch nicht), weil die Apparate und Objektive (die von Leica!) einfach so schön sind und so haptisch und gut verarbeitet (und teuer) und man sich vorstellt, was man damit alles machen könnte, wenn man sie hätte (noch schönere Bilder). Das GAS ist psychologisch übrigens erstaunlich eng verwandt mit dem Drang, Taschen zu kaufen (nämlich teure), das wissen viele Männer gar nicht, aber ich beobachte es an mir selbst (was man damit alles machen könnte! so praktisch! und so gut gearbeitet!).

Bei mir ließ das GAS irgendwann zum Glück nach, ich hab meine Lieblingskamera gefunden und meine zweitliebste auch, alles daneben ist Spielzeug oder Erbstück. Ich laß mir aber natürlich trotzdem gerne eure neue Fuji zeigen, ist klar. Ich höre ja nicht auf einmal auf, mich für Dinge zu interessieren, nur weil ich sie für mich gelöst habe.

Mit der Flexaret 6×6. Auch nicht selbst entwickelt, aber immerhin selbst gescannt.

Daneben gibt es noch den Analogfetisch. Und ich möchte jetzt wirklich gern unterscheiden zwischen denen, die sich hineinnerden in die wunderbaren Gestaltungsmöglichkeiten unterschiedlicher geschüttelter und nichtgeschüttelter Entwickler bei soundsoviel Grad, was ich grundsympathisch finde. Alles, was das Bildergebnis beeinflußt, ist erst einmal hochinteressant. Und fürs hineinnderden in komplexe Dinge habe ich seit eh und je ein Herz. Wenn man für etwas eine Leidenschaft hat, dann will man ja seine Werkzeuge kennen und so sinnvoll wie möglich anwenden. Also nix als Respekt für Menschen, die das können, ich hab halt nur wenig Motivation, das können zu wollen. Mein Schwerpunkt liegt einfach woanders.

Ich beobachte aber an mir in letzter Zeit einen gewissen Widerwillen gegenüber inflationär verhashtagten Bildern (#stillovefilm #filmsnotdead #blackandwhite #believeinfilm #ilovefilm), die so tun, als sei die Tatsache, daß jemand sie in seiner Küche entwickelt und fusselfrei gescannt hat, schon ein Wert an sich.  Ehrlich gesagt ist mir völlig schnurz, wie jemand zu seinem Bild gekommen ist, wenn ich es mir anschaue. Wenn ich es exorbitant großartig finde, kann man ja mal fragen. Im besten Fall bekommt man eine Antwort, im schlimmsten Fall einen Vortrag gehalten.

Aber nichts macht ein Bild wertvoller als das andere, weil es auf eine bestimmte Weise entstanden ist. Es gibt Menschen, die machen unfaßbare Dinge mit iPhones, andere bauen Plattenkameras vor Berggipfeln auf und haben das Zeug womöglich selbst da hochgeschleppt. Schön, aber ich seh nur das Bild, und wenn das langweilig ist, war die Mühe leider vergebens. Ich verstehe auch nicht, wenn Menschen großäugig vor Großformatapparaten stehen und Sätze sagen wie „ja, das ist richtige Photographie!“ (wichtig: mit zweimal „ph“) oder „dann nehm ich mir die Zeit, mal richtig Photographie zu betreiben“. Ich möchte dann immer sagen, daß alles, was am Ende zu einem richtigen Bild führt, richtige Fotografie ist. Herzlichen Glückwunsch zu zehn feinstabgestuften Grauzonen, aber das macht auch nur in einem bestimmten Kontext Sinn. Und ist womöglich wenig zielführend für das, was andere tun.

Die Fotoman617, das Monster, ist eher selten in der Tasche.

Man hört und liest so unfaßbar viel Bullshit. Als ob es Fleißsternchen für größtmögliche Umstände gäbe. Als ob digitale Fotografie eigentlich geschummelt wäre. Als ob größer immer besser sei, als ob jeder Fortschritt einen vom Eigentlichen weggebracht hätte, von der Naßplatte nämlich, weil das sei ja noch richtige Photographie usw. (der Daguerreotypieclub Wuppertal protestiert vermutlich jetzt aufs Schärfste) und gleichzeitig muß der Autofokus noch ein Millionstel schneller sein und am besten fuffzich Bilder pro Sekunde. Wie gesagt, man hört und liest viel Bullshit, der mit Materialität zu tun hat und nix, aber auch garnix mit dem, was da am Ende gezeigt wird – und ob es mich berührt oder nicht.

Leut, ich will eure Bilder sehen. Ich will sehen, was ihr seht, und nicht das Ergebnis von Heimwerkerei. Manchem möchte ich sagen, daß er sich nicht jetzt schon so entschleunigen soll, weil es vielleicht besser wäre, erstmal die ersten zehntausend Scheißfotos hinter sich zu bringen, bevor das alles auf Zelluloid gegossen werden muß, und das geht digital eben schneller und man traut sich auch mal, Mist zusammenzufotografieren oder blöde Experimente zu machen. Sprich: Zu scheitern und zu lernen. Die Erkenntnis, daß das alles noch gar nicht so supergeil und archivrelevant ist, was man da abliefert, ist deutlich wertvoller und sympathischer als in Film zu believen und analog zu shooten und zu glauben, damit hätte die eigene Fotografie schon eine Haltung. Aber Haltung kann man nicht auf dem Fotoflohmarkt kaufen.

Ich finde es ernsthaft schwierig, das hier aufzuschreiben, ohne daß sich die falschen Leute auf den Fuß getreten fühlen, nämlich die mit Spieltrieb und Experimentierfreude, die Suchenden, die mit Spaß am Ausprobieren, die Unfertigen. Die müssen natürlich dringend weiterspielen. Und sich um Himmels Willen nicht stören lassen von so Experten, die postulieren, was richtige und was falsche Fotografie ist, was wertvoll und was weniger wertvoll sein soll. Oder, noch schlimmer: Von solchen, die nicht kapiert haben, daß sie ihre zehntausend Scheißfotos noch längst nicht hinter sich gebracht haben, aber schon mal richtig auf dicke Hose und dicke Hashtags machen, denn davon gibt es in diesem Metier leider viele. (Man erkennt die übrigens an ihren unfaßbar langweiligen Bildern.)

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